Cosycooking

Ein Tag in...Ascoli Piceno - Fisch, Falerio und ein wunderlicher Franziskanermönch

Gino D'Ignazi, der Inhaber der kleinen Trattoria "Corso", unweit des Stadtzentrums von Ascoli Piceno, könnte gut und gerne auch Kellner in einem alteingesessenen Caféhaus in Wien sein. Zurückhaltend, leicht grantelnd und trotzdem um das Wohl seiner Gäste bemüht, immer flink und schnell, bedient er sein Gäste. Bei jeder Antwort auf unsere Fragen, haben wir irgendwie das Gefühl, dass wir das doch eigentlich wissen sollten. Tun wir aber nicht und fragen munter weiter. Er und sein einfaches Lokal strahlen eine spröden Charme aus. Das "Corso" ist DIE Anlaufstelle im südlichen Teil der italienischen Provinz Le Marche, wenn es um einfache und gleichzeitig hervorragende Fischgerichte geht. In Italien tut man sich schwer, abseits der Küste eine gute und gleichzeitig leistbare Fischküche zu finden. Überall wo ich bis jetzt in Italien war, gilt die ungeschriebene Regel - an der Küste Fisch, im Landesinneren Fleisch - das Prinzip der Regionalität ohne jegliche Kompromisse. Das "Corso" in Ascoli ist eine willkommene Ausnahme. Dort werden schon seit vielen Jahren ausschliesslich Meeresbewohner aufgetischt und das zu fairen Preisen.

Am Morgen dieses Tages beginnen wir den Ausflug mit einer wildromantischen Anreise. Von unserer Unterkunft in Montegiorgio, in der Provinz Fermo, fahren wir über einen kaum befahrenen Pass in die marchianische Provinz Ascoli Piceno und deren gleichnamige Hauptstadt. Es gäbe kürzere Wege, aber ohne so schöne Aussicht auf die sibillinischen Berge. Ascoli Piceno - die Stadt hat ca. 50'000 Einwohner - liegt in eine Ebene gebettet, bis zur Provinz Abruzzen sind es nur noch wenige Kilometer. Bis ans Meer fährt man rund eine halbe Stunde. Jeden Mittwoch ist Markttag - in den Strassen im Zentrum, gibt es von Kleider über Schuhe bis Nippes alles zu kaufen. Wir schlendern erstmal gemütlich durch die Gassen und lassen das laute Treiben und die fröhlichen Menschen auf uns wirken. Das Zentrum ist klein und in ein paar Minuten sind wir auch schon auf der Piazza del Popolo, dem Platz des Volkes, angelangt. Er präsentiert sich kleiner als der Markusplatz in Venedig aber um ein Vielfaches entspannter. Ohne Armadas von gefrässigen Tauben, Heerscharen von ausländischen Touristen und aufdringlichen fliegenden Händlern, kann man den Platz - der zurecht als einer der schönsten in Europa bezeichnet wird - auf sich wirken lassen. Wir machen es uns in einem der Cafés gemütlich, nippen an einem Espresso und staunen über die herrschaftlichen Gebäude die über den Platz, die Stadt und die Menschen wachen - zum Beispiel den Palazzo dei Capitani del Popolo aus dem 13. Jahrhundert und die gotische Kirche San Francesco in der sich in einer Nische ein Bild des Heiligen San Giuseppe da Cupertino befindet. Jenes Heiligen, der gerne aus unerklärlichen Gründen vom Boden abhob, deshalb heute Schutzpatron der Flieger ist und der gleichnamigen Stadt in Kalifornien ihren Namen gab.

Im Kreuzgang der Kirche San Francesco findet der lokale Markt statt. Klein und überschaubar ist er. Die Bauern der Umgebung bieten feil, was der Acker hergibt. Tomaten von grün bis rot, Kartoffeln, Catalogna, Auberginen und vieles mehr. Stände im herkömmlichen Sinn gibt es keine. Die Kisten werden direkt aus dem Auto auf die Piazza geladen und die Kunden wählen aus. Es hat auf dem kleinen Platz nur einen "richtigen" Stand. Er gehört einem Bio-Bauer der hausgemachte Salami und andere Würste sowie verschiedene Käse im Programm hat. Man fordert uns nett und etwas schüchtern zum Probieren auf - vom Pecorino, dem Trüffelkäse und der Salami wandert jeweils ein Stück in unseren Rucksack. Das Abendessen ist gesichert. Die Leute sind freundlich und herzlich und freuen sich über unser Interesse und das wir sie und ihre Waren fotografieren wollen. Es ist spürbar, dass sich die Anzahl der Touristen in Ascoli Piceno - und auf diesem kleinen Markt sowieso - in Grenzen hält.

Herumschlendern, Schauen, Staunen und das Fremde in sich aufnehmen macht hungrig. Während unseres Aufenthaltes in den Marken fahren wir kein einziges Mal ans Meer. Deshalb nutzen wir an diesem Tag die Gelegenheit, in der einzigen Trattoria der Stadt, die Fisch im Angebot hat, genau das zu essen. 9 Tische befinden sich im "Corso", einem sehr einfach eingerichteteten Lokal. Mittags sind alle nach kurzer Zeit besetzt. Wir bestellen aus den Vollen und sind begeistert. Als Antipasti werden Alici marinato, Bohnen mit Sepia, Gamberetti, Langustine und Miesmuscheln aufgetischt. Dann folgen Spaghetti Vongole, Spaghetti negro die Sepia und zur Krönung ein Guazzetto di pesce - der typische Eintopf in der Pfanne, der im "Corso" mit fünf schmackhaften Fischen zubereitet wird: Razza (Rochen), Palombo (Glatthai), Sole (Seezunge), Sepia (Tintenfisch) und Mazzolina (Roter Knurrhahn). Alles mit Top-Zutaten, eine einfache Küche und wohl gerade deswegen so voller Geschmack.

Als wir nach dem Mittagessen wieder ans Tageslicht treten, ist der Markt längst beendet und die Geschäfte geschlossen. Es ist die Gelegenheit, ein wenig durch die Gassen zu schlendern und zu fotografieren. Der kleine Stadtkern rund um die Piazza del Popolo ist um diese Zeit wie ausgestorben. Auch wenn das Leben hier ein wenig gemächlicher zu sein scheint als anderswo in Italien, auf die wohlverdiente Siesta wird nicht verzichtet. Nach einem kleinen Rundgang und einer Rast in einem Pärkchen zieht es uns zur Gelateria Veneta, die nachmittags um 16.00 Uhr wieder öffnet und die seit 1923 Eis ohne künstliche Zusatzstoffe verkauft. Eine Institution. Wir haben genug Zeit die vielen Sorten zu bestaunen um am Ende dann doch nicht zu wissen was wir wollen. Die Wahl fällt schlussendlich auf Schokoladeneis "extra fondente". Die Kugeln sind relativ klein bemessen. Was in diesem Fall gut ist. Dunkelbraun, fast schwarz und von einer solch schokoladigen Intensität, die sich herb-süss im Gaumen ausbreitet, sodass die Mini-Kugel schon fast zuviel an schokoladiger Geschmacksexplosion im Mund verursacht.

Wir können Ascoli Piceno natürlich nicht verlassen, ohne die berühmte Olive Tenera Ascolana probiert zu haben. Die mit Fleisch gefüllte und frittierte Olive der Sorte Tenera Ascolana - also eine olive farcita - war bereits beinahe in Vergessenheit geraten, als sie von Nazzareno Migliori davor bewahrt wurde endgültig vom Speiseplan zu verschwinden. Ihm ist es zu verdanken, dass sie heute buchstäblich wieder in aller Munde ist. Vor seinem Restaurant auf der Piazza Arringo, verkauft er an einem kleinen Stand die gefüllte Olive-to-go an die Kundschaft.

Zum Abschied zieht es uns noch einmal zur Piazza del Popolo. Leider hat das bekannte bis weit über die Grenzen der Marken bekannte Café Meletti immer noch geschlossen. Das Jugendstilgebäude wird renoviert. Hinter der Bauabsperrung sehen wir im Inneren die prachtvollen Luster brennen. So müssen wir zum Abschluss leider auf die berühmte Anisetta an ihrem Geburtsort verzichten. Noch eine Spezialität für die Ascoli Piceno in aller Welt bekannt ist.

Bevor wir uns zurück auf den Weg nach Montegiorgio machen, sitzen wir einige Minuten auf der Treppe des Palazzo und atmen die sommerliche Septemberluft ein. Ascoli Piceno ist auf seine Art unspektakulär liebenswert, ruhig und geruhsam mit freundlichen Bewohnern. Ein Kleinod, das wir bei nächster Gelegenheit wieder besuchen werden.

ADRESSEN:

Trattoria "Corso" für super Fischgerichte - Corso Mazzini, 277 - Tel. 0736 / 25 67 60 Ruhetag: Sonntagabend und Montag

Gelateria "Veneta" - für Eis ohne künstliche Zusatzstoffe - Via Guidea, 10 - eine Seitenstrasse der Piazza del Popolo

Café Meletti, für die berühmte Anisetta - Piazza del Popolo, am Besten einfach fragen, das Café kennt wirklich jeder

Gastronomia Migliori, für die berühmte gefüllte Olive Tenera Ascolana - der kleine Stand vor dem Lokal ist von weitem sichtbar - Piazza Arringo, 2 - Ruhetag: Montag

WEINTIPP: der Wein der Region ist der Falerio dei colli ascolana. Der Weisswein wird in 33 Gemeinden Ascoli's angebaut und ist seit 1975 DOC geschützt. Die verwendeten Traubensorten sind Trebbiano, Passerina,  Verdicchio - übrigens die bekannteste weisse Rebsorte der Marken - sowie Malvasia Bianca Lunga, Pinot bianco und Pecorino. Ein gutes Beispiel eines sehr guten italienischen Landweins, der toll zu lokalen Spezialitäten passt und im Ausland oft leider nicht zu bekommen ist.

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Kommentare

  1. Friederike
    4.12.2011

    Schön, von Ascoli Piceno zu lesen, wir waren zu Jahrenbeginn dort, eine überraschend interessante, für uns vorher unbekannte Stadt. Der prächtige Platz war, ausgehend vom Turm des Rathauses mit hellblauen Lichterketten überspannt, sehr schöne nachweihnachtliche Stimmung! Wir haben auch gut gegessen (zB. Pecorino di fossa, diesen "Höhlenkäse" mit Honig!!), aber ein Zimmer zu finden war nicht einfach, lg, Friederike

  2. Birgit
    5.12.2011

    @Friederike: Das fanden wir auch. Wir werden nicht das letzte Mal in den Marken gewesen sein und in Ascoli Piceno auch nicht.

  3. Pingback: Pasta Mancini – wo Herzblut und Leidenschaft aufeinandertreffen | Cosycooking

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