8 kolumbianische Pesos, ein Fisch und ein Almosen
An einem Freitagnachmittag steige ich nach stundenlanger Busfahrt aus Cartagena de Indias kommend, am Busbahnhof in Medellìn aus. Wie die Fangarme eines Riesenkraken saugen sich die Armenviertel an den umliegenden Hügeln fest. Ironie des Schicksals: die Ärmsten der Armen haben die schönste Aussicht. Die Bewohner der kolumbianischen 2,5 Millionen Stadt in der Provinz Antioquia strahlen Gelassenheit und Lebensfreude aus. Aufgrund der angespannten politischen Situation des Landes gleich das einem Anachronismus. Die Menschen scheinen der Realität trotzig und bestimmt entgegenzutreten.
Meine Bargeld-Kasse ist klein und der Schreck nach ein paar Minuten gross. Es wird mir unmöglich sein, für die Unternehmungen der nächsten Tage einen Traveler-Scheck einzulösen. Per Gesetz ist dies in Medellìn von Freitag bis Sonntag verboten. Die einzige Ausnahme gilt für Gäste von Luxushotels. Sämtliche Bettelanrufe bei den immerfreundlichen Concierges bleiben ohne Erfolg. Die Antwort ist immer dieselbe: "Lo siento, solamente podìamos cambiar los cheques de los huéspedes" - "Es tut mir leid, wir dürfen nur für Hotelgäste wechseln".
Nach Bezahlung des billigen Backpackerzimmers - Unterkunft gegen Vorauskasse - bleiben mir 20 kolumbianische Pesos. Alles andere als üppig im Land, wo man am Wochenende gerne tanzen geht und sich zu den heissen Rhythmen des Vallenato bewegt. Nichts wird mit dem Ausflug zu den Kaffeplantagen in der atemberaubend schönen Gegend rund um Medellìn. Am Samstag ziehe ich mit einer Israelin, die in derselben Unterkunft wie ich wohnt durch die Stadt. Auch sie mit knappem Budget. Am späten Sonntagnachmittag setze ich mich, von Hunger getrieben, in ein sehr einfaches Restaurant. 8 Pesos sind übrig geblieben.
Am Nebentisch wird Fisch serviert. Dazu Salat und Reis. Der Inhaber bemerkt meinen begehrlichen Blick und kommt herbeigeeilt. Ich erkläre ihm meine Situation und frage, ob für meine 8 verbliebenen Pesos auch Fisch zu bekommen sei. Der Wirt muss eine kurze Nachdenkpause einlegen. Doch, kommt es ihm schliesslich über die Lippen, doch das liesse sich einrichten. Er, der Fisch würde nur ein bisschen kleiner ausfallen. Kein Problem. 30 Minuten später stehen abgespeckter Fisch, Reis und Salat vor mir.
Der Wirt läuft zurück in die Küche und kommt mit einer Schale heisser Suppe zurück, die er behutsam, wortlos aber umso bedeutungsvoller auf meinen Tisch stellt. Meinen fragenden Blick beantwortet er mit der abwiegelnden Handbewegung von jemandem, der mit Freude anderen etwas gibt und dafür keine Gegenleistung erwartet. Ein Ausdruck der ganz ohne Worte auskommt und auf der ganzen Welt verstanden wird. Es ist und bleibt die grosszügigste und rührigste Geste, die mir während all meiner Reisen geschenkt wurde.