Die Sommer meiner Kindheit habe ich bei meiner Oma in der Steiermark verbracht. Sie wohnte im oberen Stock im Haus ihres Bruders. Wenn ich die Augen schliesse, steigt der Geruch der kleinen 2-Zimmerwohnung in meine Nase. Und das, obwohl ich vor über 15 Jahren das letzte Mal in dieser Wohnung war. Ich erinnere mich daran, dass die Sommer heiss und die Gewitter heftig waren. Viel heisser und viel heftiger als bei uns zu Hause. Kündigte sich ein Unwetter an, wurde hurtig alles Elektrische ausgesteckt, die Fensterläden geschlossen und eine Kerze angezündet. Zur Abwendung allen Unheils.
Meine Oma hat mich verwöhnt. Nach Strich und Faden. Ich durfte ab und an zu einer Tankstelle laufen um mir mein Lieblingseis zu kaufen - das war in einem konischen Becher, schmeckte zitronig und hatte unten einen runden, farbigen Kaugummi. Wie hiess das noch mal? Nein, es war nicht Paiper. Das mochte ich auch gerne.
Mindestens einmal während der Wochen, die ich dort verbrachte, sind wir in eine nahe gelegene Gemeinde gefahren und ich durfte im Café mit dem besten Eis einen grossen Eisbecher bestellen. Bei meiner Oma zu Hause, gab es als Vormittagsjause oft Wurstsemmerl mit Extrawurst (die Extrawurst heisst in Westösterreich Lyoner) und am Nachmittag Kuchen. Ihre Schwägerin im unteren Stock hat mich ab und zu, als ich ins Haus ging, "abgefangen", und mir in ihrer kleinen Küche frisch gebackenen Apfelkuchen oder Sterz mit saurer Milch aufgetischt. Sterz ist unserem Rheintaler Riebel ähnlich, der aber in der Pfanne noch geröstet wird. Es ging mir gut. Definitiv.
Einer dieser steirischen Kuchen die so köstlich schmeckten - die steirische Nusspotize - ist eine Mehlspeise die traditionellerweise zu Weihnachten gebacken wird. Sowohl meine Oma als auch meine Mama, haben die Potize aber auch während des Jahres gemacht. Traditionell wird dafür eine Springform mit Rohrbodeneinsatz verwendet. Ich habe die Nusspotize stattdessen in einer Gugelhupfform gebacken. Die Ursprünge der Potize scheinen in Slowenien zu liegen. Das Wort Potize bezieht sich auf die Herstellungsart - potica heisst auf slowenisch soviel wie einwickeln. Auf dieselbe Art und Weise wie die Nusspotize wurde ein anderer Kuchen von meiner Oma gebacken, anstatt der Walnussfüllung, wurde der Teig vor dem Einrollen mit Zucker und Zimt bestreut. Ebenfalls köstlich!
Ich bin kein grosser Fan von dicken Cremes in oder auf Torten und Kuchen - deshalb ist die Nusspotize bis heute, neben der Linzertorte, mein Lieblingskuchen geblieben. Und das nicht nur zu Weihnachten.
NUSSPOTIZE (Rezeptquelle: von meiner Oma, abgewandelt)
Zutaten für eine Gugelhupfform mit 23 cm Durchmesser
Hefeteig
- 1/8 Liter Wasser (sonst klassischerweise mit Milch, die ich nicht im Haus hatte, funktioniert aber auch prächtig mit Wasser)
- 15 Gramm Hefe
- 250 Gramm Weizenmehl (Type 550)
- 75 Gramm weiche Butter + etwas Butter für die Form
- 90 Gramm Akazienhonig
- 3 Eidotter
- eine Prise Salz
- etwas abgeriebene Zitronenschale
- Wasser lauwarm erwärmen, die Hefe darin auflösen und mit einem Teil des Mehls zu einem weichen Dampfl abmischen
- restliches Mehl über das Dampfl streuen und warm stellen. Dazu habe ich den Backofen kurz auf 50°C ein- und wieder ausgeschalten und die Schüssel mit dem Dampfl zugedeckt hineingestellt
- weiche Butter und Akazienhonig mit dem Handmixer schaumig rühren, dann die Dotter untermengen
- das reife Dampfl mit der Zitronenschale und dem Salz zur Butter-Dotter-Masse geben und den Teig ca. 15 Minuten mit der Küchenmaschine auf Stufe 2 rühren. Nicht erschrecken, der Teig ist sehr weich, lässt sich anschliessend aber dennoch gut verarbeiten
- Hefeteig ca 1 Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. Teig sollte ca. auf das Doppelte aufgehen.
Walnussfüllung
- 150 Gramm fein gemahlene Walnüsse
- 1/16 Liter Wasser (keine Milch!)
- 15 Gramm weiche Butter
- 3 Esslöffel Akazienhonig
- 1 Esslöffel Strohrum, 60%
- etwas abgeriebene Zitronenschale
- 1/2 Teelöffel Zimt
- 1 Messerspitze echte Vanille
- optional: Rosinen
- die Walnüsse in eine Pfanne geben und mit den restlichen Zutaten zuerst kalt zusammenrühren
- auf kleiner Flamme zum Kochen bringen
- die Masse sollte nicht zu weich, aber auch nicht zu fest sein, falls notwendig noch etwas Wasser dazugeben
- anschliessend etwas auskühlen lassen
Nusspotize
- den Hefeteig auf einer gut bemehlten Fläche zu einem Rechteck auseinanderziehen. Der Teig ist sehr, sehr weich, deshalb mit dem Mehl grosszügig sein!
- die lauwarme Walnussfüllung auf dem Heferechteck verteilen
- Teig zusammenrollen. Obwohl er so weich ist, klappt es gut, wenn man darauf achtet, dass auf der Arbeitsfläche genügend Mehl ist
- die Rolle in eine gebutterte Gugelhupfform bugsieren. Am Besten rollt man die Rolle in der Form wie eine Schnecke auf
- Teig in der Form nochmals ca. 30 Minuten gehen lassen
- rechtzeitig den Backofen auf 180°C (Ober-/Unterhitze) vorheizen
- Nusspotize ca. 1 Stunde backen. Im Rezept ist die Backzeit mit 40 Minuten angegeben. Bei unserem Backofen ist das eindeutig zu wenig. Dann ist der Kuchen noch zu weich. Am Besten mit einer dünnen Stricknadel testen, ob die Nusspotize schon durch ist!
- mit Staubzucker aus Rohr-Rohzucker bestreuen
PS: Alle verwendeten Lebensmittel mit Ausnahme der Butter und natürlich des Strohrums waren biologischer Herkunft!
25.10.2011
wann haben wir über potize und rein(d)ling getwittert? damals hast schon von dieser hier erzählt. schöne erinnerungen. weißt du einen grund (außer "sparen") für wasser statt milch? im teig und in der fülle? das ist schon recht ungewöhnlich. und die variante deiner oma, die mit zucker und zimt, die ist dann wohl die steirische variante des rein(d)lings. und die österreichische der zimtschnecken. in groß.
25.10.2011
@katha: ist schon eine ganze Weile her. Beim Hefeteig der einfache Grund, weil ich keine Milch im Kühlschrank hatte - was ich praktisch nie habe, ausser ich kaufe Rohmilch auf dem Bauernmarkt, was aber auch selten vorkommt. Bei der Fülle steht es im Rezept. Mit Ausrufezeichen. Warum das so ist? Leider kann ich meine Oma nicht mehr fragen und meine Mam weiss es auch nicht. Vielleicht wegem dem Rum? Ist m.E. auch gar nicht notwendig.
Die Variante mit Zimt und Zucker mochte ich auch unheimlich gern. Nach dem Backen hat die Füllung immer so Fäden gezogen. Das habe ich geliebt!
25.10.2011
Was für ein REZEPT!! Da will ich sofort in die Küche und backen... Nur leider habe ich neben Uni dafür keine Zeit. Aber bei nächster Gelegenheit ist das auf jeden Fall dran. Was ist denn eigentlich ein Dampfl?
lg
25.10.2011
@Veronika: ein Dampfl ist die österreichische Bezeichnung für den Vorteig für Hefeteig. Es sorgt u.a. dafür, dass der Teig einen besseren Geschmack bekommt. Man kann es so machen wie ich es beschrieben habe, oder gleich das ganze Mehl in eine Schüssel geben, eine Mulde formen, die angewärmte Milch oder das Wasser - darf nur warm sein, da ansonsten die Hefebakterien absterben und der Teig nicht aufgeht - in die Mulde geben, die Hefe hineinbröckeln, alles mit etwas Mehl vermischen und abgedeckt gehen lassen, bis das Dampfl Blasen wirft.
7.11.2011
Ein tolles Rezept! Das wird in meinen Augen nur noch von deinen Fotos getoppt! Wunderschön, vielen Dank.
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